Samstag, 22. Oktober 2016

Inmitten von undefinierbaren Bands : Cardinals Session Festival III

Ist es möglich, einen Beitrag komplett ohne Bilder zu gestalten?

Selbstverständlich kann man sagen "Die war einfach zu dumm, um richtig gute Bilder hinzubekommen." Unrecht habt ihr nicht. Mit den anderen Fotografen und meiner Anfängerkamera mitzuhalten, Notizen zu machen, die Musik zu genießen - all das ist als unprofessionelle Bloggerin schon schwer. Klar könnte ich hier schlecht fotografierte Bilder einfügen. Oder ich könnte mein Bestes geben, euch die Geschehnisse so detailreich wie möglich zu erzählen, sodass ihr eurer Fantasie freien Lauf lassen könnt! Wer braucht schlechte Bilder, die nicht mal ansatzweise an die Schönheit der an der Wand tanzenden Lichter heran kommen könnten, oder an das Gefühl an fremde Menschen gedrückt zu sein, und mit ihnen zusammen im gleichen Takt nach rechts und nach links zu wiegen.

Am 21.10.2016 war ich zum zweiten Mal in diesem Jahr auf dem Cardinal Sessions Festival im Gebäude 9 zu Gast. Im Mai besuchte ich schon dieses einzigartige Festival und schrieb eine Kleinigkeit darüber. Das Cardinal Sessions Festival ist ein Abend, an dem musikalische Diversität aufeinandertrifft.

"Ätna" eröffnete das Cardinal Sessions Festival III im Gebäude 9. Das Duo, bestehend aus Inéz & Demian Kappenstein, nahm Platz auf der kleinen Bühne im Vorraum des Gebäude 9. Mehr und mehr Leute strömten nacheinander in den kleinen Raum und bald schon setzten sich die ersten Reihen hin, damit jeder den Anblick der beiden, vollkommen in ihrer Musik verlorenen, multi-tasking-fähigen Musiker genießen konnte. Ätna überzeugt durch Außergewöhnlichkeit und Idividualität, und wenn man die Augen schließt, würde man meinen auf der Bühne befinden sich 1000 Musiker, doch es waren nur zwei. Etwas vergleichbares hört man kaum. 
Mit sympatischen, kleinen Ansprachen zwischen den Liedern bereiteten uns die beiden auf die folgenden Lieder vor. Wenn Leute einem nicht mit Liebe begegnen, sollte man genau das tun, und sie mit Liebe überschütten. Mit diesen Worten leitete Inéz das für Sabrina gewidmete Lied ein. Ein Ballade-ähnliches trauriges Liebeslied ist ja schon unausgesprochene Pflicht und auch da enttäuschte Ätna nicht. Während des Singen verschwand der Blick der Sängerin irgendwo im Publikum und unpassend wurden wir zum Aufstehen aufgefordert. Gerade bei einem langsamen, herzzerreißend schönem Lied, welches jedes Herz Liebeskummer spüren ließ - unabhängig davon, ob man schon mal verliebt war. So versperrten wir nun den hinteren Reihen sie Sicht Zwischenzeitlich kamen einzelne technische Probleme auf und wegen Vergessen eines Kabels konnte ein Lied anscheinend nicht wie geplant gespielt werden, aber Ätna war die perfekte Entscheidung zum Einstieg in die Cardinal Sessions. Flinke Finger, die von rechts nach links wanderten, eine emotionale Stimme und Harmonie zwischen dem Duo machte den Auftritt sehr angenehm. Und so überzeugend, dass ich nach dem Auftritt direkt raus zum Merchstand lief, und mir die EP kaufte. 
Ein paar Unterschiede zum letzten Mal. Als ich im Mai das Cardinals Session Festival II besuchte, wurden keine Waffeln verkauft. Diesmal schon. Dies ist definitiv eine sehr gute Steigerung. Der "
Bunte-Burger"-Foodtruck war wieder anwesend und auf der Speisekarte standen diesmal normale Pommes, anstatt Süßkartoffelpommes, wieder ein Burger konnte gekauft werden und zusätzlich noch einen Hot-Dog mit Röstzwiebeln.

Weiter ging es mit "Flyying Colours", extra angereist aus Australien. Dafür begaben wir uns in die größere Konzerthalle hinter der Bar.  Nach den etwas ruhigeren Sounds von "Ätna" war "Flyying Colours" ein perfekter Kontrast! Die vier Mitglieder wussten, wie sie aufeinander aufbauen konnten und die E-Gitarre hörte man schon beim Soundcheck. Eine E-Gitarre kann nie laut genug sein. Möglicherweise lag es an den fließenden Übergängen der Lieder, an den mitreißenden, lauten Klängen, daran dass wir etwas zu spät in den Saal kamen, da wir uns was zu essen geholt hatten, jedoch fühlte es sich an, als hätten sie zu kurz gespielt. Als ihnen dann gesagt wurde, dass sie nur noch 2 Minuten spielen durften, wurde noch einmal alles gegeben, und falls jemand komplett zu spät kam, war es auch möglich, in diesen 2 Minuten von der Band mitgerissen zu werden. 
Nachdem unsere Ohren noch etwas klingelten, quetschten wir uns wieder mit viel zu vielen Menschen in den kleinen Vorraum, um einen einzigen Mann auf der leer geräumten Bühne zu sehen. "Fai Baba", wessen Stimme ungewöhnlich unpassend zu seinem äußeren Erscheinungsbild passte. Mit nur einem Instrument, und doch den Klang von so vielen und seiner beruhigenden Stimme kämpfte der gebürtige Züricher gegen den konstanten Lärmpegel an. Fast schon respektlos und dreist wurde nicht aufgehört zu reden. In dem kleinen Raum schallte es leider von jeder Seite, zudem standen viel zu viele Menschen drin. Da hört es sich schon mal lauter an, als es eigentlich ist. Trotz alledem auch Fai Baba war eine gute Wahl an diesem Abend, vor allem nach dem vollkommen anderen Sound von "Flyying Colours". Es hatte alles eine etwas nostalgische Wohnzimmerkonzertstimmung. Mit nur einem Instrument schaffte er es so viel Melodie zu erzeugen. Wahrhaftig talentiert.
Wieder in die größere Halle hieß es nun für uns. 
"Phoria", hieß der nächste Akt. Eine komplett dunkle Bühnen begrüßte uns, als nach dem Aufbau die nächste Band anfing. Nur der "cardinal sessions" Schriftzug war hell erleuchtet. Das tollste, was einem bei einem Konzert passieren konnte, ist dass die Musiker komplett verloren in ihren Liedern sind. Und das waren die Mitglieder von "Phoria" ihren kompletten Auftritt über. Und wie verrückt und in voller Ekstase drückten sie irgendwelche Knöpfe. Selten sah ich an einem Abend so viele Technologie-dominierende Bands. Ob dies nun Absicht war oder nicht, jede einzelne Band und das Gesamtpaket des Cardinal Session Festivals III bleibt auf jeden Fall stark im Gedächtnis. Zudem liebe ich es, wenn die Lichtershow auf der Bühne zu der Musik perfekt passt. Und nach und nach erstrahlte die Bühne in blau, orange und grün. Die einzelnen Lieder mit einem Wort zu beschreiben ist ziemlich schwer, aber wenn ich mir eins aussuchen müsste, wäre es episch. Vor einem Song stimmten zwei Mitglieder der Band  harmonisch singend den folgenden Song an und der Blick des Sängers erfüllte sich mit Emotionen, welche ihn erst einmal einatmen ließen. Fast direkt vor der Bühne zu stehen, die teilweise geschlossenen , teilweise auf die Musiker fixierten Augen des Publikums, all das erweckte den Eindruck, als stünden wir einem Kampf hervor und "Phoria" gaben uns Kraft und Mut. 

Von Lichterketten und auseinander fallenden, von Stickern zusammen gehaltenen, Wänden umzingelt standen wir wieder aneinandergepresst, vor der kleinen Bühne in dem Vorraum im Gebäude 9, um den nächsten Künstler zu sehen. "Pomme", also Apfel nennt sich die Französin. Und gestern merkte ich, dass Perfektion an einem Konzertabend ist, eine Französin gekleidet im Stil der 70ger Jahre mit ihrer Akustikgitarre bewaffnet und gesegnet mit einer himmlisch weichen Stimme, dabei zu haben. Nicht nur wollten wir alle französisch können, um ihre Singer/Songwriter Musik vom Feinsten zu verstehen, sondern überzeugte sie auch durch ihre sympatische, etwas tollpatschige Art. 


Wieder zurück in die größere Halle ging es für uns, um "Faber", den einzig deutsch-singenden Künstler an diesem Abend zu sehen. Anfangs spielten sie eine etwas ruhigere Melodie, doch auf ein Zeichen wurde es plötzlich, überraschenderweise lauter. "So laut wie es mit Akustikinstrumenten geht", beschreiben sie sich selbst, und bessere Worte hätte ich nicht finden können. Mit nur 3 Personen auf der Bühne und 4 Instrumenten schafften sie etwas, was kein anderer Künstler an diesem Abend schaffte - den kompletten Saal zum tanzen zu bringen. Die mitreißenden, rhythmischen Lieder gepaart mit der einzigartigen Stimme vom Sänger brachte die Atmosphäre im Publikum zum Höhepunkt. Ob es nur an der fühlbaren Euphorie der Band auf der Bühne lag, oder dass neben, vor und hinter mir jedes einzelne Lied mitgesungen wurde und somit ein konstanter Hintergrundgesang entstand, ich bereute es schon wieder an diesem Abend, nichts von den Künstlern vorher gehört zu haben. 

Andere Hintergrundgeräusche begleiteten den ganz in schwarz gekleideten Schweizer mit den gepunkteten Socken, als er alleine auf der Bühne ein langsames Lied spielte - und zwar dauerhaftes Geplapper. Selbstverständlich ist es normal, dass die Geräuschkulisse nicht immer perfekt ist auf Konzerten und sich viele unterhalten. Schade, dass keiner die Möglichkeit gesehen hatte, in den Vorraum zu gehen und sich dort in aller Ruhe zu unterhalten. Ehrlich, Schade. Mit "Pomme" hatten wir eine kleine Art "Kulturbruch", mit ihren französischen Texten und "Faber" überzeugte zudem auch noch in italienisch und spanisch. Wir fragten uns alle worum es in diesen Liedern geht, auch wenn man kleine Worte wie "corazon" heraushörte. Ganz besonders fragten wir uns, wovon das italienische Lied handelte. Ab und zu hörte man bekannte Worte heraus wie "della amore", aber der Grund weswegen wir uns diese Frage stellten, war die kleine Performance, die uns geboten wurde. Detailreich werde ich euch gar nicht erklären, was genau passiert ist, bloß dass sich Sänger und Gitarrist sehr nah gekommen sind. Nachdem der Applaus nach seinem letzten Lied nicht enden wollte, kam "Faber" wieder auf die Bühne und beendete seinen Auftritt mit den Worten "Wählt nicht die AFD" und dem Lied "Wer nicht schwimmen kann, der taucht."
Zum Schluss nahmen "Leoniden" die Bühne ein. Eine Jägermeisterflasche während des Auftritts rumreichend, auf der Bühne rumspringend, laut und ins Publikum tanzend, brachten "Leoniden" das Cardinal Sessions Festival III zu einem perfekten Ende. Zwischen den Liedern beinhalteten die Ansprachen gefühlte 100 "Dankeschön"s, an die Cardinal Sessions, an das Publikum, an die anwesenden Kölner-Schlafplatz-Anbieter.Mit sehr vielen Micdrops, einen zum Tanzen bringenden Rhythmus, energievollen und kontrollierten Umgang mit den Instrumenten und Sounds, welche mein kleines Punkherz schneller schlagen ließ, nahmen sie das Publikum komplett in ihre Musik ein. Wenn sogar der Fotograf die Kamera sinken lässt und mittanzt, weiß man, man hat was richtig gemacht. Genau aus diesem Grund bin ich auch nicht dazu gekommen, viele Notizen zu machen. Leider war es an diesem Abend nicht möglich, die EP zu kaufen, aus der sie sehr viele Lieder gespielt hatten, jedoch kommt im 2017 eine CD raus! Also ein Grund zur Vorfreude!

Das Besondere war, dass auf Nachfrage hin, sich viele Bands nie wirklich einem Genre zuordnen konnten oder wollten. Denn ist es, vor allem heutzutage, nicht eher was vorteilhafteres sich als Musiker immer neu erfinden zu können, seine Fans mit einer einzigartigen Mischung von Genren auf dem Album überraschen zu können, neues ausprobieren können? Ich war positiv überrascht von den Antworten der verschiedenen Bands, denn obwohl alle eigen, individuell und anders waren, hatten sie alle doch etwas gemeinsam. Alle überraschten mich positiv. Es war teils Schicksal, teils meine Unwissenheit, dass ich keine der Musiker kannte und so dachte ich mir, höre ich mir sie vorher nicht an. Sondern ließ ich mich vollkommen vom ersten Eindruck überzeugen. 

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